Netzwerkabend Februar 2025

KRITIS-Betreiber: Hybride Bedrohung erfordert strategische Antworten

Die zugespitzte Sicherheitslage in Deutschland und deren Auswirkungen auf Betreiber kritischer Infrastrukturen war am 18. Februar Thema des ersten Netzwerksabends des Vereins Kompetenzzentrum kritische Infrastrukturen e.V. Der Verein hat aus aktuellem Anlass Referenten verschiedener Fraktionen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen, die wenige Tage vor der Bundestagswahl in Impulsvorträgen aus ihrem parteipolitischen Blickwinkel darauf eingingen, wie die kritische Infrastruktur vor hybriden Bedrohungen geschützt werden sollte.

 

Dass die Situation alles andere als entspannt ist, stellte Martin Debusmann, Vorstand des KKI e.V. und Gastgeber des Abends bei der Begrüßung in der Sky-Lounge der BEW AG klar: „In meiner Funktion als Leiter des Krisenstabs der Berliner Energie und Wärme AG nehme ich seit geraumer Zeit eine wachsende Anspannung bei mir wahr“, betonte er und führte das vor allem auf den Überfall Russlands auf die Ukraine zurück. „Wir fragen uns bei Störungsereignissen immer öfter, ob es sich dabei um eine technische Ursache handelt oder möglicherweise und vorsichtig ausgedrückt eine „Eingriff von Außen“ die Ursache ist.“

 

Um den Finger auf die Wunde zu legen, hatte sich der KKI e.V. Politiker aus dem Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen:

  • Burkard Dregger, Vorsitzender des Arbeitskreises Inneres, Sicherheit, Ordnung und Sport sowie Innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion
  • Martin Matz, Mitglied im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie Innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
  • Gollaleh Ahmadi, Sprecherin für Sicherheitspolitik, Medien und Datenschutz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Von einem dramatisch schlechten Zustand der äußeren Sicherheit Deutschlands sprach Burkard Dregger in seinem Vortrag und nannte darin Angriffe auf die Verteidigungsfähigkeit, Spionage wie Drohnenflüge über kritischen Infrastrukturen oder Desinformationskampagnen als beunruhigende Beispiele. Es sei vorrangige Aufgabe, die lebensnotwendigen Infrastrukturen zu schützen, betonte der aktive Reserveoffizier der Bundeswehr. „Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, dass man noch über eine Wehrpflicht oder eine Zivilschutzpflicht diskutiert“, sagte er. Um dieses Thema komme man einfach nicht herum, wenn man sich nicht in die Abhängigkeit eines Diktators begeben will.

Eine weitere Forderung Dreggers ist die Stärkung der Nachrichtendienste. Es sei unverantwortlich, dass sich Deutschland mehr mit dem Datenschutz als mit dem Schutz der Bevölkerung befasse. Aus Sicht Dreggers habe neben der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität die Eindämmung der Migration Priorität. „Wir haben unsere Leistungsfähigkeit überschritten“, betonte der Politiker. „An den Grenzen müssen massive Zurückweisungen greifen – wir hoffen auf einen Domino-Effekt der anderen europäischen Länder.“

Verlässliche Strukturen forderte Martin Matz, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Nur so könne man kritische Infrastrukturen sichern. Als Beispiel nannte Matz die vor wenigen Tagen in Betrieb genommene, 115 Kilometer lange Hochspannungstrasse „Uckermarkleitung“ an, die die Uckermark mit Berlin verbinde und Netzengpässe beseitigen soll. Die Inbetriebnahme der 380 Kilovolt-Leitung des Stromnetzbetreibers 50Hertz habe ihn sehr gefreut, sagte Matz, aber zugleich habe er sich gefragt, wer die Leitung künftig vor Sabotage-Akten schützt.

Viele Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz kritischer Infrastrukturen würden zu lange dauern, das gelte auch für Berlin: „Wir haben noch immer keine 400 Sirenen auf den Dächern – und warum können diese Sirenen nicht einzeln angesteuert werden?“

Kritik an der schleppenden Umsetzung von Schutzmaßnahmen übte auch Gollaleh Ahmadi von Bündnis 90/Die Grünen. Als sie 2011 als Praktikantin im Bundestag gearbeitet habe, sei der Cyberkrieg schon als neue Herausforderung erkannt und beschrieben worden – in den 14 Jahren danach habe sich leider wenig geändert. Kritische Infrastruktur sei das Rückgrat der modernen Gesellschaft, sie seien nach wie vor einer enormen Gefahr ausgesetzt. Durch Sabotage entstehe Deutschland jährlich ein Schaden von rund 267 Milliarden Euro, wobei 70 Prozent der Angriffe auf Organisierte Kriminalität und 20 Prozent auf ausländische Spionage zurückzuführen seien, wobei der Übergang zwischen Organisierter Kriminalität und ausländischer Sabotage zunehmend verschwimmen. Um KRITIS-Betreiber zu schützen, sei neben einer individuellen Krisenvorsorge eine bessere Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen nötig. Die Politikerin forderte eine engere Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten, aktiveres Vorgehen gegen Desinformation, die Unterstützung kritischer Infrastrukturen sowie eine Zentrale Koordinierungsstelle, die all diese Punkte mit umsetzen helfe.

Um dem Schutz der Infrastrukturen auch nach der Bundestagswahl Nachdruck zu verleihen, will der KKI e.V. in den nächsten Tagen mit fünf Forderungen an die Öffentlichkeit gehen. Darin geht es nach Aussagen des Vereinsvorsitzenden Martin Debusmann u.a. um eine bessere Vernetzung von Behörden und KRITIS-Unternehmen, um die Vorbereitung der Bevölkerung auf Notlagen und die Festlegung von Zuständigkeiten in Krisenfall.