11. Fachtagung (05.10.2023)

Fachtagung des KKI e.V. bewertet Sicherheitslage im Herbst

Kritis-Betreiber rüsten sich für mögliche Bedrohungen

Um für aktuelle und kommende Bedrohungslagen gerüstet zu sein, wollen die Betreiber kritischer Infrastrukturen noch engmaschiger kooperieren und den Austausch mit der Politik verstärken. Auf der 11. Fachtagung Infrastruktursicherheit, ausgerichtet vom Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen e.V., wurde am Donnerstag dieser Woche nach dreijähriger Pause ein Blick zurück auf Pandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise geworfen und zugleich darüber gesprochen, wie Kritis-Betreiber sich noch besser vorbereiten und untereinander abstimmen können. „Wir waren gut vorbereitet, haben aber auch gemerkt, dass es durchaus Verbesserungspotenzial gibt“, betonte Frank Behrend, 1. Vorsitzender der KKI e.V., vor knapp 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Energiewirtschaft, Politik und Behörden im VKU-Forum in der Berliner Invalidenstraße.

Die wachsende Bedeutung des Austauschs zwischen Politik und Betreibern der Infrastruktur stellte Berlins Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe, in den Fokus seines Grußworts. Gerade in Zeiten wie diesen zeige sich, wie wichtig Netzwerke seien, ob es sich um Cyberkriminalität oder um physische oder hybride Bedrohungen handelt. Nicht nur für die Betreiber kritischer Infrastrukturen sei es eine Herausforderung, neue Risiken rechtzeitig zu erkennen und bei Schadenereignissen zügig und effizient zu reagieren. Die in der vergangenen Wintersaison drohende Gasmangellage habe das Krisenmanagement in der Senatsverwaltung deutlich weiterentwickelt. „Uns ist klar: Ein Ausfall der Energieversorgung würde zu komplexen Szenarien führen“, betonte Hochgrebe.

Die Reaktion auf mögliche Bedrohungslagen steht bei den Kritis-Betreibern nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Mittelpunkt regelmäßiger Übungen. Zuletzt hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) das Zusammenspiel von Unternehmen und Verteilnetzbetreibern geprobt und war dabei von einer bundesweiten Gasmangellage ausgegangen, in deren Folge die BNetzA die gezielte Reduzierung des Gasverbrauchs angeordnet hätte. „Diese Übung war zugleich wichtig und auch überfällig“, sagte Jörg Ehmke von der Trading Hub Europe GmbH, in seinem Vortrag. Als Marktgebietsverantwortlicher konnte Ehmke zumindest konstatieren, dass der Füllstand deutscher Gasspeicher mit 95,7 Prozent höher und der Gesamtgasverbrauch niedriger als im Vorjahr ist. Um die eigene Stressfähigkeit zu testen, ist nach Ansicht von Andreas John von der E.DIS Netz GmbH vor allem eines nötig: „Üben, üben, üben!“ Dem pflichtete in der finalen Podiumsdiskussion auch Maik Wortmeier, Vorsitzender der Geschäftsführung der NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg, bei. Die NBB habe sich als Betreiberin des Gasnetzes in Berlin und Brandenburg intern auf Krisenszenarien vorbereitet und sei darin auch gut erprobt. „Das war wie in der Formel1 – wir waren auf unserer Heimstrecke.“ Die Übung mit der Bundesnetzagentur sei deshalb insofern eine Herausforderung gewesen, weil „wir dort mit vielen Teams am Start waren und uns beweisen mussten.“

Stromnetze kommen schnell an ihre Belastungsgrenze

Vor der Entscheidung, bei Problemen im Stromnetz Kundinnen und Kunden abschalten zu müssen, steht auch die Stromnetz Berlin GmbH im Krisenfall. Als städtischer Verteilnetzbetreiber berichtete Jürgen Schunk, wie sich eine Gasmangellage auf das Stromnetz auswirken und zu einem Ausfall führen könne. „Kommt weniger Gas, folgen Einschränkungen in der Fernwärme oder bei der gasbasierten Wärmeerzeugung – und die Kunden würden auf strombasierten Ersatz umsteigen und Radiatoren anschalten“, erläutert er. Dafür seien die Stromnetze in Berlin und vielen anderen Städten nicht ausgelegt. Am Beispiel von Stromnetz Berlin erklärte Schunk, wie sich das Unternehmen in Krisenstäben auf Bedrohungslagen vorbereitet und dabei auch darauf achtet, autark weiter arbeiten zu können. So gebe es in Berlin ein „schwarzstartfähiges“ Kraftwerk, durch das ohne Spannungsvorgabe eines Übertragungsnetzbetreibers wie 50Hertz das städtische Stromnetz nach einem Totalausfall teilweise wiederversorgt werden könnte. Schunk warnte in diesem Zusammenhang davor, den gesamten Fuhrpark von Kritis-Betreibern auf Elektromobilität umzustellen, um weiter handlungsfähig – und mobil – zu bleiben.

Agenten führen im Hintergrund Regie

Auf die Vielzahl möglicher Bedrohungslagen ging Andreas John in seinem Beitrag ein. Eine davon ist die Cyberkriminalität, die nach Einschätzung von Jawad Ahmad vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) immer bedeutender werde. „Dr. Jörg Treffke vom Verfassungsschutz Brandenburg sprach in seinem Vortrag über die Auswirkungen der „Zeitenwende“ auf die deutsche Spionageabwehr und zeigte verschiedene Gefährdungsszenarien auf, in denen ausländische Geheimdienste im Hintergrund Regie führen: ob bei der militärischen Aufklärung, bei Sabotagehandlungen oder dem Missbrauch Künstlicher Intelligenz zur Desinformation.“

Der 2010 gegründete KKI e. V. widmet sich dem Schutz der Infrastrukturen durch die Sensibilisierung und Vernetzung von Politik, Wissenschaft und Energiewirtschaft. Gemeinsam mit allen Verantwortlichen und insbesondere mit öffentlichen und privaten Betreibern kritischer Infrastrukturen will der Verein Strategien zur Prävention und Krisenbewältigung entwickeln. Ein wichtiger Meilenstein, den die Vereinsarbeit erreichen soll, ist die Entwicklung und Implementierung bundesweiter Standards im Bereich Prävention und Krisenmanagement.